Zweiter Sonntag der Osterzeit

Gedanken zum Sonntag
Segen

1. Lesung: Apostelgeschichte 2,42-47

2. Lesung: 1 Petrusbrief 1,3-9

Evangelium: Johannesevangelium 20,19-31


In den vergangenen Tagen starben zwei wichtige Theologen.


Am Ostersonntag starb Huub Oosterhuis.

Er war einer der bedeutendsten Dichter geistlicher Lieder der Gegenwart.

(https://www.katholisch.de/artikel/44543-huub-oosterhuis).


Fünf Lieder und eine Litanei, die er gedichtet hat, sind im Gotteslob zu finden.

Darunter die Lieder: „Ich steh vor dir mit leeren Händen Herr“ (422)
und „Wer leben will wie Gott auf dieser Erde“ (GL 460).

Das Lied: „Solang es Menschen gibt auf Erden“ (425),
das wir zur Gabenbereitung singen werden, stammt ebenfalls von ihm.

Über 100 Lieder hat Oosterhuis geschrieben,
dazu die Psalmen übersetzt.
Viele Gegenwartschrist*innen finden sich in seinen Texten wieder.


Die zweite Person, die in dieser Woche verstorben ist, ist Bischof Jacques Gaillot.

(https://www.katholisch.de/artikel/44538-kirchenkritiker-und-frueherer-bischof-jacques-gaillot-gestorben)


Er war von 1982 bis 1995 Bischof der Diözese Évreux’ in der Normandie in Frankreich.

Er wurde von Papst Johannes Paul II 1995 als Bischof abgesetzt.

Er gründete daraufhin eine virtuelle Diözese im Internet, die den Namen „Partenia“ trug bzw. trägt (https://partenia.org).

Huub Oosterhuis und Jacques Gaillot waren beides sehr kritische Theologen. Oosterhuis gab sein Priesteramt auf und trat aus dem Jesuitenorden aus,
weil er heiratete.

Gaillot setzte sich Anfang/Mitte der 90er Jahre für Migrant*innen ein
und forderte schon damals die Segnung von homosexuell lebenden Menschen
und eine offene Einstellung der Kirche zu Empfängnisverhütung.


Von Bischof Gaillot stammt u.a. der Satz:
„Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“


Mit seinen Ansichten und Äußerungen eckte er bei vielen anderen Bischöfen
und eben auch bei Johannes Paul II an,
der ihn dann auch seines Amtes als Bischof enthob.


Für mich sind beide wichtig.

Wegen der Lieder, Gedichte und Übersetzungen von Oosterhuis,
wegen der weitsichtigen und offenen Einstellung,
die Bischof Gaillot an den Tag legte und sich zu formulieren und sagen traute – damals vor 30 Jahren.


Beide waren Menschen,
die die Lehre und Praxis der Kirche überprüft haben.

Beide waren auf der Suche nach einer guten Form und Sprache,
wie den Menschen in heutiger Zeit
das Evangelium nahe gebracht werden kann.


Beide waren in der damaligen Zeit unbequeme Theologen.

Für mich haben beide etwas vom Apostel Thomas,
der heute im Evangelium eine zentrale Rolle spielt.

Thomas ist einer der zwölf,
aber nicht immer mit den anderen zusammen.

Er ist kritisch, unbequem.
Er lässt sich nicht mit einem Augenzeugenbericht der andern Apostel abspeisen.

Am Glauben, an der Auferstehung selbst, zweifelt Thomas nicht.

Aber er hat eine Bedingung.
Er möchte selbst eine Glaubenserfahrung machen.

„Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe
und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel
und meine Hand nicht in seine Seite lege,
glaube ich nicht.“

Sein Wunsch, seine Forderung, wird ihm erfüllt.
Denn eine Woche später ist er in der Gemeinschaft mit dabei.

Die anderen tragen den Skeptiker mit.

Sie schließen ihn nicht aus, sondern lassen ihn gewähren bzw. laden ihn ein.

Thomas begegnet Jesus.

Er kann sich überzeugen.

Er legt die Finger in die Wunden Jesu.

Nicht das leere Grab, nicht die Erzählung der anderen überzeugt ihn.

Es sind die Verletzungen und Wunden Jesu, die ihn überzeugen.


Thomas kommt über die Wunden und Verletzungen
zur Erkenntnis und zum Glauben.
Über die Verletzungen, durch die Wunden Jesu,
findet er zu einem bekennenden Glauben.

Thomas legt ein Bekenntnis zu Jesus ab:
„Mein Herr und mein Gott“.

Das ist die größte und höchste Bezeichnung für Jesus im Johannesevangelium überhaupt.


Die Thomasgeschichte ist eine sehr ansprechende und hilfreiche Geschichte.

Es ist gut, den Skeptiker, den Zweifler, Thomas, zur Seite zu haben –
oder sogar als „Zwillingsbruder“ zu bezeichnen.

Er steht für beide Wesenszüge in mir:
für den, der skeptisch ist und der zweifelt
und für den Wesenszug, der sich zu Christus bekennt.


Die Thomasgeschichte sagt mir:
Ich darf Zweifel haben, ich darf hinterfragen und nachfragen.

Auch im Raum der Kirche.

Mit meiner Skepsis bin ich gut in der Gemeinschaft aufgehoben.

Die Gemeinschaft bietet Raum für Skeptiker.

Einen Raum,
den Huub Oosterhuis und Jacques Gaillot
leider nicht immer in der Kirche gefunden haben.

Beide haben aber, so finde ich, wie Thomas gehandelt.

Sie haben ihre „Finger“ in die Wunden der damaligen Zeit
und der Kirche gelegt.

Sie scheuten nicht den Konflikt mit der Kirche.

Beiden ging es,
so denke ich, bei ihrem Tun und Wirken,
um den Glauben und um die Menschen.


Diese drei Personen,
der Apostel Thomas,
der Dichter Oosterhuis,
Bischof Gaillot,
können so für uns heute eine Anregung sein.


Alle drei sind Ansporn, heute unbequem –
vielleicht manchmal auch rebellisch sein zu können und zu dürfen.
Weil es um den Glauben und um die Menschen geht.


Denn am Ende geht es darum, den eigenen Weg vor Gott zu gehen,
und nicht nur Konventionen zu entsprechen.

Das uns das gelingt, das wünsche ich uns.




Peter Göb

Es gilt das gesprochene Wort

Gott mache die Tore deiner Seele weit
und öffne die Türen zu deinem Herzen,
dass die heilenden Kräfte dich durchströmen,
und sich in dir ausbreiten können.
Gott breite in dir die Zweige der Hoffnung aus,
dass der Friede in dich einziehen kann
und deine Seele zur Ruhe kommt.