Vierter Sonntag der Osterzeit

Gedanken zum Sonntag
Segen

1. Lesung: Apostelgeschichte 2,14a.36-41

2. Lesung: 1 Petrusbrief 2,20b-25

Evangelium: Johannesevangelium 10,1-10


Es gibt Bilder, die kennt und versteht fast jeder.


Das Bild des Hirten ist ein solches.

Heute sehen wir hin und wieder einen Schäfer und die Schafherde.

Es ist immer noch faszinierend, ihnen zuzuschauen.

Jesus gebraucht dieses „Urbild“ der Menschheit.

Fast das ganze zehnte Kapitel des Evangeliums ist davon geprägt.

Er hat dabei immer unterschiedliche Aspekte.

Heute – in den ersten zehn Versen des 10. Kapitels – hören wir,

wie Jesus von sich sagt, dass die Schafe auf seine Stimme hören und dass er die Tür zum Schafstall, zum Pferch, ist.

Später wird er von sich sagen, dass er der Gute Hirte ist.

Jesus als der Gute Hirte.

Hin und wieder wurde dieses Bild der Bibel kitschig gemalt

und auf Leinwand gebracht.


Am Ende aber geht es um eine wichtige Sache.

Jesus verheißt Leben in Fülle.


Das Bild derr Bibel von Jesus als Gutem Hirten wurde im Laufe der Zeit auf Menschen übertragen.

Hauptamtliche, vor allem Prieser und Bischöfe,

wurden und werden als „Gute Hirten“ dargestellt und bezeichnet.

Ich bin da etwas zurückhaltend.

Nicht, weil ich das nicht sein möchte,

sondern weil zu viele, die sich „gute“ Hirten nennen ließen,

diesem Anspruch nicht gerecht wurden und gerecht werden.

Das Bild zumindest angekratzt, vielleicht sogar deformiert und überholt.

Und:

die Eigenschaften, die einen guten Hirten auszeichnen,

diese Eigenschaften könnten alle haben.

Diese Eigenschaften sind für mich:

Behutsam sein,

die Verletzungen und Bedürfnisse der anderen wahrnehmen,

Menschen nachgehen, sie schützen,

ihnen zu einem guten Leben verhelfen, ihre Individualität sehen.


Eigenschaften, die jedem Christen, jeder Christin gut stehen.

In diesem Sinne sind wir alle –

als Gute Hirten und Hirtinnen gefragt.

Mit einem Beispiel aus der Kirchengeschichte

möchte ich das traditionelle und tradierte Bild eines guten Hirten,

mit einer guten Hirtin ergänzen.


Gestern war das Fest der Hl. Katharina von Siena.

Katharina von Siena wird am 25. März 1347 in Siena
als zweitjüngstes von 25 Kindern einer armen adligen Familie.

Mit 6 Jahren hat sie eine erste Vision,

mit 7 Jahren legt sie das Gelübde der Keuschheit ab,

mit 12 Jahren, das war damals das Alter,

in dem die Kinder verheiratet wurden,

schnitt sie sich die Haare ab – als äußeres Zeichen,

dass sie sich Gott geweiht hatte.

Die Mutter wollte, dass sie heiratet,

doch sie hatte ihren eigenen Willen.

Ihre Mutter nimmt ihr jede Zeit für Gebet und Stille,

doch Katharina schafft sich eine „innere Zelle“ –

sie war mit Gott verbunden auch im Trubel des Alltags.


Es ist eine äußerst turbulente und stürmische Zeit,

in die Katharina hineingeboren wird.

Die Pest ist die größte Geißel der damaligen Zeit,

Epidemien raffen innerhalb weniger Tage Tausende von Menschen dahin.

Im schlimmsten Jahr dieses Jahrhunderts sterben innerhalb von zwölf Monaten Hunderttausende an dieser Krankheit.

Kriegslärm und Machtkämpfe

zwischen den rivalisierenden Städten

und dem machtbewussten Kirchenstaat prägen die Zeit.

Mordende Horden rotten sich zusammen,

um gegen den Kirchenstaat anzugehen – den Kampfruf auf den Lippen:

„Tod den Hirten der Kirche im Namen Gottes und der Heiligen.“

Der Papst residiert seit 1309 nicht mehr in Rom,

sondern im französischen Avignon
und gerät immer mehr in politische Abhängigkeit.

Weltlicher Geist,

die Jagd nach Einnahmequellen (Pfründen),

Bestechlichkeit und das Streben nach Wohlergehen

dringen auch in den Klerus und in den Orden ein.

All das wirkt sich auf das Leben Katharinas aus:

Von all dem bekam Katharina in ihrer Kinderzeit manches mit.


Mit 16 Jahren schließt sie sich dem Orden der Dominikaner an

und verbringt die nächsten Jahre in großer Zurückgezogenheit.

Eine erneute Vision deutet sie als Auftrag zur Sendung.

Von nun an versorgt sie Arme,

pflegt Kranke, besucht und tröstet Gefangene,

schlichtet Streitigkeiten und Familienfehden.

Aufgrund ihres großen Charismas

und ihres sich rasch verbreitenden Rufes als Wohltäterin

beginnt sich in dieser Zeit auch ein Kreis von Gleichgesinnten,

einer "famiglia", um Katharina zu bilden:

Frauen und Männer, Verheiratete und Unverheiratete,

Laien und Geistliche, Junge und Alte.


Gott lieben und verehren

heißt für Katharina zugleich auch den Nächsten lieben:

"Gib Gott die Ehre, die Mühe und Anstrengung aber gib deinem Nächsten." –

Eine Kirche der Barmherzigkeit

ist ihr Anliegen und diese Haltung der Milde und Barmherzigkeit

mahnt sie von Priestern unermüdlich ein.

Neben ihrem caritativen Wirken findet

sie noch die Zeit, sich mit Laien und Geistlichen

zur Besprechung theologischer und kirchenpolitischer Themen zu treffen.

Aus solchen Gesprächen schöpft Katharina ihr - trotz fehlender Schulbildung - unglaublich großes theologisches Wissen,

das sich in ihren Schriften und Gebeten widerspiegelt.

1370 erkrankt sie schwer, wird aber wieder gesund.

1376 fordert sie den Papst auf, aus Avignon zurück nach Rom zu kehren.

Es war die Zeit des Exils der Päpste in Avignon –

eine Zeit mit großen Kirchenthemen und -Streitthemen.

Sie kann den Papst zur Rückkehr nach Rom bewegen.

Sie selbst zieht zwei Jahre später nach Rom

und leidet an den Streitereien, den Spaltung,

sie leidet unter der Kirche und Kirchenpolitik.

Am 29. April 1380 stirbt sie im Alter von 33 Jahren.

Direkt nach ihrem Tod setzt die Wallfahrt zu ihrem Grab ein –

Und so wird Katharina von Siena 1461 heiliggesprochen

und gilt heute als Patronin von Europa, Italien, Rom und Siena

und wird in besonderer Weise von PfarrsekretärInnen,

KrankenpflegerInnen, Sterbenden, Laien im Dominikanerorden angerufen.



1970 wird sie Kirchenlehrerin –

eine von vier weiblichen der insgesamt 36 Kirchenlehrer*innen und

Schutzpatronin Europas.


Katharina war eine Frau, die sich Gedanken macht, den Kopf nicht in den Sand steckt.

Sie fühlt sich gedrängt,

den Herausforderungen der Zeit auf ihre Weise zu antworten.

Sie erkennt ihre Berufung und lebt für die Kirche,

sie leidet an der Kirche und ihren Missständen

und sie tut etwas für die Kirche –

sie reformiert und möchte, dass Missstände und anderes ein Ende haben.


Es ist kein Zufall,

dass dieser Tag, dem Fest der Hl. Katharina von Siena,

seit genau 25 Jahren als „Tag der Diakonin“ begangen wird.

Das „Netzwerk Diakonat der Frau“,

das diesen Tag ins Leben gerufen hat und gestaltet,

setzt sich für den Diakonat der Frau ein.

Ein gutes Engagement,

denn – und ich möchte die Worte von Sr. Philippa Rath, einer Benediktinerin aus der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim, mir zu eigen machen:


"Berufung ist keine Frage des Geschlechts.

Unsere Kirche hat nur dann eine Zukunft,

wenn Frauen gleichberechtigt Anteil haben an allen Ämtern und Diensten",

sagte die auch im Synodalen Weg aktive Benediktinerin dem Südtiroler "Katholischen Sonntagsblatt" (Mittwoch).

An der Frauenfrage entscheide sich mit,

ob die Kirche zukunftsfähig bleibe

"oder sich zu einer sektiererischen Gegenwelt

zur demokratischen Moderne entwickelt",

so Rath.


Berufung ist keine Frage des Geschlechts.

„Nicht der Zugang von Frauen zu den kirchlichen Diensten und Ämtern ist begründungspflichtig, sondern deren Ausschluss“.


Die heilige Katharina hat in ihrer Zeit ihre Berufung gelebt,

sie hat die Kirche, den Papst, die Bischöfe,

die Zustände allgemein kritisiert,

sie hat sich für Reformen eingesetzt und den Menschen gedient.

Mit 33 Jahren ist sie 1380 gestorben.

Ihre Wirkung zeigt sich heute und wird womöglich wichtiger denn je.

In diesem Sinne braucht es gute Hirtinnen und Hirten.



Peter Göb

Es gilt das gesprochene Wort

Wie der gute Hirte sei der Herr vor dir,
um dir den rechten Weg zu zeigen.


Wie der gute Hirte sei der Herr neben dir,
um dich auf den Arm zu nehmen
und dich zu tragen, wann du es nötig hast.
Wie der gute Hirte sei der Herr bei dir,
um dich zu verteidigen, wenn andere über dich herfallen.


Wie der gute Hirte sei der Herr unter dir,
um dich aufzufangen, wenn du fällst
oder aus dem Loch zu befreien, wenn du hineingefallen bist.
Wie der gute Hirte sei der Herr mit dir:

Es segne und behüte dich der allmächtige und gütige Gott,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen