Pfingsten

Gedanken zum Sonntag
Segen

1. Lesung: Apostelgeschichte 2,1-11

2. Lesung: 1 Korintherbrief 12,3b-7.12-13

Evangelium: Johannesevangelium 20,19-23


Frage einhundert Katholiken:

"Was ist das Wichtigste in der katholischen Kirche?"

Und sie werden Dir antworten: "Natürlich die Heilige Messe!"

Frage dann hundert Katholiken:

"Was ist das Wichtigste in der Messe?"

Und sie werden Dir antworten: "Das ist natürlich die Wandlung!"

Aber sage einhundert Katholiken:

"Das Wichtigste in der katholischen Kirche, das ist dann ja die Wandlung!"

Dann werden sie Dir sagen:

"Um Gottes Willen nein! Es soll alles so bleiben, wie es ist!"

(Lothar Zenetti)

Das ist ein relativ bekanntes und altes Gedicht von Lothar Zenetti.

Aber es ist, wie ich finde, von bleibender Aktualität.

Die Messe ist wichtig, die Wandlung in der Messe ist wichtig.

Aber eben auch die Wandlung überhaupt.

Wir feiern Pfingsten.

Wir feiern das Fest der Wandlung, der Veränderung.

Die Wandlung des/der einzelne*n, die Wandlung der Gemeinschaft.

Der Blick in die Apostelgeschichte zeigt dies.


Da wird berichtet, dass die Jünger*innen zusammengekommen waren.

Sie werden überrascht von einer Veränderung,
die über sie hineinbricht.

Es ist ein äußerer Einfluss, der sie aufrüttelt.

Vom Himmel her kommt plötzlich ein Brausen und das ganze Haus wird erfüllt.

Der Geist erfüllt sie und von Stund an geschieht Unvorstellbares.

Sie werden verändert, verwandelt.

Das Pfingstwunder mit Feuerzungen und fremden Sprachen ist nicht das Ende, sondern es ist der erste Schritt der Jünger*innen.

Sie können weitere Schritte hinaus wagen.

Schritte hinaus aus ihrer Angst und Enge.


Sie haben Mut, sie lassen sich begeistern, anstecken und sie trauen sich etwas zu.

Das Pfingstwunder ist der Anfang.

Und: das Pfingstgeschehen hat Auswirkungen.

Dieses Pfingstwunder wird dann in der Apostelgeschichte konkret.

Immer wieder wird in der Apostelgeschichte von „Zeichen und Wundern“ berichtet. Es sind Heilungen und Totenerweckungen,
die das Wirken der Apostel kennzeichnen.

„Zeichen und Wunder“ –
mit dieser Formulierung erinnert Lukas, der die Apostelgeschichte verfasst hat,
an die „Zeichen und Wunder“, die das Volk Israel bereits erfahren hat.

Lukas schlägt damit sprachlich und inhaltlich eine Brücke in die Vergangenheit.

Er schlägt aber auch eine Brücke in die Zukunft.

Denn die Zeichen und Wunder geschehen durch die Jünger,

die vom Geist erfüllt sind.

Der Geist erfüllt die Jünger*innen, er wandelt sie und stärkt sie,

von Jesus, seinem Leben, Leiden und Sterben und seiner Auferstehung zu berichten. Das Pfingstwunder ist gleichsam der Auftakt des Wirkens der Apostel.

Und die Apostelgeschichte,

die Geschichte der Bot*innnen der Frohen Botschaft, ist nicht zu Ende.


Der Geist wirkt sich aus.

Bis heute - und ist eine Anfrage an uns heute.

Berthold Brecht wird folgender Satz zugeschrieben:

"Sage mir nicht, was du glaubst, sage mir was sich ändert, weil Du glaubst."

Sage mir nicht, was du glaubst, sage mir, was sich ändert, weil Du glaubst.

Da geht es um die Wirkung des Glaubens.

Da geht es um Aus-wirkungen, Wirkungen nach außen.

Pfingsten damals war das zu erleben.

Die Jünger*innen sind aufgebrochen.

Die Geistsendung hat sich bei ihnen ausgewirkt.


Sie haben sich selbst aus Angst und der eigenen Lähmung befreien lassen.

Sie haben andere geheilt, sie haben andere von ihren Lähmung gelöst.

Die Apostelgeschichte berichtet wenige Verse nach dem Pfingstbericht von Heilungen von Gelähmten.


„Steh auf“, so sagt, ja befiehlt Petrus einem Gelähmten

und der Gelähmte steht auf und kann umher gehen.

Wo der Geist wirkt, da stehen Menschen auf, da werden sie groß, da werden sie frei.

Da schaffen sie es, das,

was sie lähmt, was sie klein hält und niederdrückt, loszulassen, abzulegen.

Das ist die Einladung an uns, an jede*n,

die eigenen inneren Lähmungen anzuschauen und Gott zu bitten,

dass wir sie erkennen und ablegen können.

Was lähmt Dich, was oder wer hält dich klein,

lässt dich in dir gekrümmt sein.

Pfingsten ist die Zusage:

Steh auf, der Heilige Geist will Dich groß machen! Will dich aufrichten.

Die Heilungsgeschichten, die in der Apostelgeschichte berichtet werden,

gelten nicht nur Personen, sie gelten auch einem Volk, dem Volk Gottes.

Sie gelten heute der Kirche.

So ist auch ihr gesagt: Steh auf, richte dich auf.

Befreie dich aus deiner Lähmung, aus dem, was dich niederdrückt, klein macht.

Steh auf, bewege Dich, werde beweglich und veränderbar.


Mir scheint, wir sind noch viel zu sehr in der Phase der Lähmung.

Wir lassen uns niederdrücken.

Wir lassen uns lähmen von eigenen Regeln und Vorschriften.

Wir lähmen uns durch Behördendeutsch und Binnensprache.

Wir reden in einer eigenen Sprache, mit Floskeln und Phrasen.

Am Pfingstereignis der Bibel konnten die Menschen einander verstehen.

Heute verstehen die Menschen die Sprache -und die Inhalte der Kirche – kaum noch.


Darum braucht es eine neue Menschwerdung,

eine neue Geburt, der Kirche, wird doch Pfingsten auch als "Geburtsstunde der Kirche" bezeichnet.

Mit: Steh auf, richte dich auf, werde beweglich.

Das ist der Apell von Pfingsten.

Wenn ich beweglich bin, dann kann ich gestalten.

Wenn ich an alten Denk- und Verhaltensmustern festhalte,

dann bleibe ich starr und stur.

Für die Gestaltung der Zukunft braucht es Ideen und Mut, Motivation und Beweglichkeit.

Mit Antworten aus der Vergangenheit kann ich weder die Gegenwart gestalten

noch Weichen für die Zukunft stellen.

Nicht in der Kirche, nicht in der Gesellschaft,

nicht in der Politik mit all ihren Herausforderungen.

Pfingsten macht fit für die Zukunft.

Dieses Pfingsten braucht die Kirche, brauchen am Ende wir alle.

Es braucht Mut und Beweglichkeit,

um Reformen und Veränderungen anzugehen.

Es gilt, Formen und Formeln,

Riten und Rituale immer wieder zu überdenken,

zu verändern und an die Zeit anzupassen.


Und:

Pfingsten erinnert an den Ursprungsauftrag.

Die Frage für mich ist: Wie nah oder wie weit sind wir am Ursprungsauftag.

Wie nah und wie weit sind wir vom Leben und Wirken Jesu entfernt.

Es bedarf immer neu der Kalibrierung,

der Ausrichtung auf den Ursprung.

Nicht das Mittelalter ist das entscheidende Zeitalter für die Kirche.

Nicht die Fixierung auf Einfluss und Machterhaltung sind das Zentrum der Kirche.

Nicht noch so prächtige Bauten und Gewänder sind ist das Zentrum und die Zukunft der Kirche.

All das sind Mittel, aber sie dürfen nicht zum Ziel werden.


Das Zentrum der Kirche ist Jesus Christus und seine Botschaft.

Eine Botschaft der Zuwendung, der den Menschen in die Mitte stellte

und nicht das Gesetz.

Eine Botschaft der Anerkennung derer, die sonst nicht anerkannt waren.

Eine Botschaft, die zur Gemeinschaft einlädt und nicht ausschließt.

Ich wünsche mir Verantwortliche,

die sich nicht abschotten, sondern die sich öffnen,

die sich an den Ursprungsauftrag erinnern.

Die selbst den Mut haben, aufzustehen,

die sich von den Lähmungen der Tradition

und der falschen Rücksichtnahme befreien und aufstehen,

aufbrechen und mutig vorangehen.

Kurz, die sich Öffnen für den Geist Gottes, und für die Aufgaben,

die das 21. Jahrhundert stellt, für die Menschen, die heute leben.


Viele können sagen, was sie glauben, aber das ist nur eine Seite.

Denn:

"Sage mir nicht, was du glaubst, sage mir was sich ändert, weil Du glaubst."



Peter Göb

Es gilt das gesprochene Wort


Die Predigt ist in Teilen durch einen Impulsvortrag von Sr. DDr. Igna Kramp, CJ, bei einem Digitalen Glaubensgespräch zu Pfingsten inspiriert worden.


Atme in uns,
Du Geist des lebendigen Gottes,
dass alles in uns von Seinem Leben pulsiere.


Durchglühe uns, Du Geist der Liebe,
dass unsere kranken Herzen
durch Dich entzündet werden.

Belebe uns, Du Kraft des Auferstandenen,
dass unsere Angst und Schwäche
zur weithin leuchtenden Hoffnung werden.


Ziehe uns an Dich, Du Geist Gottes,
dass Dein Leben auch unser Leben werde!


Komm und schließe auf
die Mauern unseres Herzens,
mache weit unser Denken und Fühlen.


Komm und treibe uns
aus unserem Kleinmut
hinaus zu den Menschen.


Komm und belebe uns
mit Deinem göttlichen Atem,
schaffe uns neu und
lass uns in Deinem Namen
Feuer und Flamme sein.


Du Geist unseres Herr Jesus Christus,
höre nicht auf, Dich auszugießen über uns.